Die Erbschaft ausschlagen oder nicht?

Verstirbt ein Angehöriger und man ist Erbe, muss man sich relativ schnell entscheiden. Annahme der Erbschaft oder Ausschlagen?
Oft erfährt man bereits inoffiziell vom Versterben des Erblassers. Oder der Erbe erhält Nachricht vom Nachlassgericht von der Testamentseröffnung.

Diese kurze Video befasst sich mit den Schierigkeiten, die einem gesetzlichen oder einem durch Testament eingesetzten Erben dabei begegnen können und entwickelt Lösungsansätze.

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Beste Grüße

Dirk Tietjen

Das Ausschlagen der Erbschaft

Eine als Erbe eingesetzte Person wird zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers (des Verstorbenen) automatisch Erbe und damit Rechtsnachfolger der verstorbenen Person. Es bedarf hierzu keiner weiteren Maßnahmen oder Annahmeerklärungen mehr.

Allerdings ist nicht jede Erbenstellung erwünscht und mancher Nachlass sogar überschuldet. Das Gesetz vermittelt jedem Erben die Möglichkeit, eine erhaltene Erbschaft auszuschlagen und den Eintritt der Rechtsnachfolge wieder rückgängig zu machen. Somit tritt zwar automatisch per Gesetz die (vorläufige) Erbenstellung ein, sie kann aber rückwirkend wieder aufgehoben haben.

Ausschlagen kann der Erbe immer nur „ganz oder gar nicht“. Die Ausschlagung nur eines unliebsamen Bruchteils oder hinsichtlich einiger Nachlassgegenstände ist nicht möglich, § 1950 BGB. Dies gilt jedenfalls, wenn die Erbschaft auf nur einem Berufungsgrund (z.B. Testament) beruht.

Wird man Erbe aufgrund von Testament und Erbvertrag (zwei Berufungsgründe), ist die Ausschlagung des Erbteils der auf Basis zum Beispiel des Testaments beruht möglich, unter Beibehaltung der Erbenstellung aus Erbvertrag. Möglich ist es ebenso, nach § 1948 BGB die Erbenstellung durch Testament auszuschlagen, um danach die Erbschaft als gesetzlicher Erbe anzunehmen. Aber diese Fälle sind eher die Seltenheit und werden hier nur aufgeführt, um das breite Spektrum des Ausschlagens oder Annehmens einer Erbschaft zu verdeutlichen.

In den meisten Fällen gilt: „Annehmen“ oder „Ausschlagen“.

Wie man sich im Einzelfall verhält, hängt von unterschiedlichen Motivlagen des Erben ab, die im Rahmen dieses Beitrages nur angerissen werden können. Wie bereits angedeutet, werden zum Beispiel die meisten Leute wohl einen überschuldeten Nachlass eher nicht übernehmen wollen. Es kann aber auch sein, dass das Testament Verfügungen vorsieht, die der Erbe für sich als nachteilig ansieht.

Ist zum Beispiel ein Abkömmling als Nacherbe nach dem überlebendem Ehegatten eingesetzt, so muss er sich hinsichtlich des ererbten Vermögens gedulden. Er tritt die Nacherbenstellung erst an, nachdem der Vorerbe wiederum verstorben ist. Oft benötigen junge Erwachsene in einer relativen Frühphase Geldbeträge, um sich einzurichten oder gar ein Haus oder eine Wohnung für die Familie zu erwerben. Schlägt also der als Vorerbe eingesetzte Abkömmling aus, so verliert es seine Erbenstellung und erhält statt dessen einen Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser ist zwar oft geringer. Allerdings erhält der Abkömmling das Geld weitaus früher und ein jeder weiß, dass „Geld sofort“ manchmal wertvoller ist als „mehr Geld später“.

Eine Ausschlagung kann jedoch auch erfolgen, um eine andere Person in die Erbenstellung gelangen zu lassen. Dies kann zum Beispiel der (versorgte) überlebende Ehegatte zu Gunsten eines Abkömmlings tun.

Schlägt also der Erbe aus, so verliert er rückwirkend die Erbenstellung,  § 1951 BGB. Erbe wird nun derjenige, der Erbe geworden wäre, wenn der Ausschlagende beim Erbfall nicht mehr gelebt hätte.

Nimmt der Erbe die Erbschaft dagegen an, wandelt sich die bereits – wie vorab erwähnt – eingetretene Erbenstellung von einer vorläufigen in eine endgültige. Ab diesem Zeitpunkt kann nun nicht mehr ausgeschlagen werden (§ 1943 BGB).

Annehmen kann man eine Erbschaft immer erst nach Eintritt des Erbfalls und nicht etwa im Vorwege mit einer Erklärung wie „Im Falle des Ablebens ….nehme ich die Erbschaft in jedem Fall an“. Vorläufiger Erbe wird man automatisch, die endgültige Annahme muss erklärt werden. Allerdings kann die endgültige Annahme auch durch stillschweigendes Verhalten erfolgen, etwa indem der vorläufige Erbe über Nachlassgegenstände verfügt oder einen Erbschein beantragt. Die Grenzen sind hier fließend, jedenfalls sollte der vorläufige Erbe vorsichtig agieren, will er nicht Gefahr laufen, die Erbschaft durch schlüssiges Handeln anzunehmen.

Achtung: auch ein Verstreichenlassen der Annahmefrist wird im allgemeinen bereits als schlüssige Annahme der Erbschaft gewertet.

Somit sollte jeder Erbe die ihm zugestandene 6-Wochenfrist nach § 1944 BGB ausnutzen, um eine für ihn tragfähige Entscheidung zu erlangen. Die Erbschaft (endgültig) anzunehmen oder auszuschlagen. Panikartiges Ausschlagen aus Angst vor Schulden ist ebenso wenig anzuraten wie euphorisches Annehmen in der Erwartung großer Reichtümer.

Meist wissen Außenstehende weit weniger genau über die finanzielle Situation des Erblassers Bescheid, als sie denken.

Handelt es sich um Nachlässe mit größeren Beträgen oder Rechtsnachfolge von Unternehmen mit Betriebsvermögen sollte rasch anwaltliche Hilfe hinzugezogen werden, um diese 6 Wochen möglichst effektiv zu nutzen. Die Kosten der Beratung sind meist gut investiert, denn Fehler in dieser Phase sind meist weitaus teurer.

Diese Ausschlagungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem der Erbe Kenntnis erhält, dass er gesetzlicher oder testamentarischer Erbe ist. Erliegt der Erbe hierbei gewissen Irrtümern, liegt möglicherweise gerade keine Kenntnis vor, die den Fristablauf startet. Das muss jedoch im Einzelfall genau untersucht werden. Zunächst sollte jeder Erbe von dieser 6-Wochenfrist ab Kenntniserlangung ausgehen.

Einmal getätigte Annahme- oder Ausschlagungserkärungen können später nicht mehr widerrufen werden.

Sinn dieser recht kurzen Zeitspanne für die Entscheidung ist, für alle Beteiligten rasch Klarheit zu verschaffen, wer Rechtsnachfolger des Verstorbenen ist. Aufgrund dieser kurzen Entscheidungsperiode kommt es hin und wieder vor, dass diese Entscheidung auf Basis von falschen Vorstellungen oder Irrtümern getroffen wird, In eng begrenzten Ausnahmefällen kann daher eine Annahme- oder Ausschlagungserklärung nachträglich noch angefochten werden. Eine detaillierte Darstellung dieser Anfechtungsgründe wird in einem späteren Beitrag hier veröffentlicht werden.

Wie erklärt man nun eigentlich die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft?

Eine solche Erklärung ist nach § 1955 BGB gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben. Das Nachlassgericht ist dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk der Wohnsitz des Verstorbenen liegt. Alternativ ist auch das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk der Ausschlagende seinen Wohnsitz hat. Die Erklärung kann entweder beim Nachlassgericht zu Protokoll (Diktat) gegeben oder aber bei einem Notar öffentlich beglaubigt werden.

Die Kosten dieser Alternativen betragen entsprechend § 45 KostO eine Viertel Gebühr und sind meist sehr überschaubar.

Ist das Nachlassgericht in der Nähe, ist es unproblematisch die Erklärung vor Ort protokollieren zu lassen. Bei weiterer Entfernung empfiehlt sich der Gang zum Notar, der die Erklärung dann an das Nachlassgericht weiterleiten wird.

Ich hoffe, dieser Beitrag hat Ihnen einige Fragen zur Ausschlagung der Erbschaft beantworten können. Lassen Sie mich wissen, was Sie davon halten.

Weitere Spezialfälle werden in späteren Beiträgen hier veröffentlicht werden.

Beste Grüße
Dirk Tietjen

Der Pflichtteil im Erbfall

Über den Tod sprechen wir oft nicht gerne. Wir neigen häufig dazu, dieses Thema zu verdrängen. Und damit auch alle hiermit zusammenhängenden wichtigen Fragen. Und dann ist es doch plötzlich so weit. Der Tag, von dem Alle wussten, dass er irgendwann kommt, ist da. In der Familie tritt ein Todesfall auf. Oft ist es nicht leicht, dann die Gedanken zu ordnen und sich neben persönlicher Trauer auch noch um „rechtliche Dinge“ zu kümmern. Dennoch werden von Angehörigen recht schnell Entscheidungen erwartet. Besser wäre es also, man bereitete sich zu Lebzeiten gut vor, um in der Krise gut zu „funktionieren“.

Manchmal hat der Verstorbene (Erblasser) kein Testament oder andersartige Verfügungen für Erben getroffen. Dann gilt die gesetzliche Erbfolge, so dass das Vermögen an die nächsten Angehörigen fallen wird.

Oftmals ist die gesetzliche Erbfolge (also die Situation, wenn kein Testament oder ein Erbvertrag aufgesetzt worden sind) nicht diejenige, die gewünscht war, weil speziell nahestehende Personen nicht besonders bedacht wurden. Oder es sollten eigentlich spezielle Vermögensgegenstände (Haus oder Schmuck) speziellen Personen zufallen und „landen“ nun einfach allgemein im Nachlass.

Manchmal aber hat der Erblasser auch ein Testament gemacht und einigen Angehörigen mehr als den anderen zugewendet. Vielleicht hat er gar Teile seines Vermögens Dritten vererbt. Dann kann es sein, dass Angehörige davon ausgegangen waren, etwas zu erben und dann plötzlich feststellen, dass sie enterbt worden sind. In diesem Fall ist es wichtig, Pflichtteilansprüche zu prüfen.

Das Pflichtteilrecht soll der Testierfreiheit des Erblassers Grenzen setzen und Angehörigen des Verstorbenen einen Mindestanteil von der Erbmasse sichern, wenn sie durch Verfügungen (Testament oder Erbvertrag)) des Erblassers von der gesetzlichen Erbfolge (also die Erbfolge die gilt, wenn kein Testament geschrieben wurde) ausgeschlossen sind.

Pflichtteilsberechtigte sind also nicht direkt am Nachlass (vererbtes Vermögen des Verstorbenen) beteiligt. Statt dessen haben sie einen persönlichen Anspruch gegen Erben auf Zahlung einer Geldsumme in Höhe der Hälfte des Wertes, der im Falle des gesetzlichen Erbteils angefallen wäre.

Grundvoraussetzung eines Pflichtteilsanspruch ist also immer, dass ansonsten ein gesetzlicher Erbanspruch bestanden hätte. Berechtigt sind grundsätzlich Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel etc.), Eltern, ein überlebender Ehegatte oder ein eingetragener gleichgeschlechtlicher Lebenspartner.

Weiterhin berechtigt sind nicht eheliche und adoptierte Kinder (falls grundsätzlich erbberechtigt) und ungeborene aber bereits gezeugte Kinder.

Unter grundsätzlicher Erbberechtigung ist zu verstehen, dass die jeweilige Person, für die ein Pflichtteilsanspruch untersucht wird, ohne die Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) gesetzlicher Erbe geworden wäre. Gibt es zum Beispiel Abkömmlinge (Kinder) des Verstorbenen, entfällt ein Pflichtteilsanspruch der Eltern. Die Abkömmlinge als Erben der so genannten ersten Ordnung verdrängen die Eltern als Erben der zweiten Ordnung.

Weiter ist Voraussetzung, dass der Pflichtteilsberechtigte durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde (Enterbung).

Eine solche Enterbung kann ausdrücklich erfolgen oder aber auch konkludent (stillschweigend).

Ein in der Praxis besonders of auftretender Fall ist, dass Ehegatten sich im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments gegenseitig zu Erben einsetzen. In einem solchen Fall sind die Kinder dieser Eheleute nach dem Tod eines Ehepartners faktisch von der Erbfolge ausgeschlossen, also enterbt.

Als Abkömmlinge verfügen sie dann über einen Pflichtteilanspruch gegenüber dem länger lebenden Ehepartner. Ob es zweckmäßig ist für Kinder, diesen Anspruch geltend zu machen, hängt von den Besonderheiten des Einzelfalles ab: familiäre Situation und Beziehungen der Familienmitglieder, Bedarf an sofortigen Geldzuflüssen (und nicht erst bei Versterben des anderen Ehepartners) sowie die Gestaltung des Ehegattentestaments. Oft enthält ein solches Testament auch „Strafklauseln“ für den Fall, dass Kinder den Pflichtteil im Falle des Versterbens eines der Eltern geltend machen.

In diesem Fall wird oft angeordnet, dass das den Anspruch geltend machende Kind auch im Falle des Ablebens des zweiten Ehegatten nur den Pflichtteil erhält. Es sind also viele Besonderheiten des Einzelfalles zu untersuchen, bevor ein Entscheidung – gegebenenfalls auch im Familienverbund – getroffen werden sollte.

Besuchen Sie auch das folgende Video auf youtube zum Theman Pflichtteil:

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Weiterhin hat ein Erbe, welcher eigentlich aus einem Testament oder Erbvertrag Ansprüche herleiten kann, in einigen Situationen die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen und einen Pflichtteil zu verlangen.

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